Golfbälle sind ein anstrengendes Thema. Nur wenige meiner Kunden diskutieren gerne über verschiedene Bälle und deren Eigenschaften. Und das ist auch vollkommen nachvollziehbar, denn Golfbälle sind hinsichtlich Materialien und Eigenschaften ähnlich komplex wie Schläger, dabei aber viel unscheinbarer. Kaum jemand hat ein derart inniges Verhältnis zu seinem Ball wie zu seinem Schläger.
Dennoch lohnt es sich, sich einmal mit diesem unauffälligen Begleiter auf jeder Golfrunde zu beschäftigen. Es gibt Spannendes und für ihr Spiel Relevantes zu entdecken. Dabei möchte ich Sie nicht mit technischen Details langweilen, sondern versuche, die grundsätzlichen Mechaniken deutlich zu machen, bei denen die Balleigenschaften sich auswirken. Dies soll Ihnen helfen, den für Sie optimalen Ball zu finden.
Die Anatomie eines Golfballs
Für den Zweck dieses Blogposts reicht es aus, den groben Aufbau eines Golfballs zu verstehen. Die genauen Details der Abmessungen, Materialien und Eigenschaften erkläre ich Ihnen gerne bei Ihrem Besuch in unserem Geschäft. Dies gilt auch für das Thema Dimples, auf die ich in diesem Beitrag gar nicht eingehen werde. Für den besonders technisch Interessierten gibt es auch eine Reihe spannender, detailreicher Artikel im Netz zu diesem Thema.
Die Basics:
Ein moderner Ball besteht aus mindestens zwei Teilen – Schale und Kern. Die Schale ist aus Kunststoff und kann unterschiedlich hart sein. Der Kern kann aus Hartgummi oder Kunststoffen sein und ist abhängig von seiner Kompression ebenfalls unterschiedlich hart. Seit einigen Jahren sind auch Bälle aus drei oder mehr Teilen auf dem Markt. Hier hat der Kern noch eine oder mehrere Ummantelungen.
In der Hauptsache gilt es also beim Kauf von Bällen auf Härte oder Weichheit der Schale sowie die Kompression zu schauen. Diese sollten individuell auf Ihr Spiel abgestimmt sein.
Das Gefühl, dass dies kompliziert ist, liegt auch daran, dass sich diese Eigenschaften bei unterschiedlichen Schlägen unterschiedlich auswirken. Daher besprechen wir diese Auswirkungen in drei Abschnitten, jeweils anhand eines Schlagtyps.
Abschlag mit dem Driver
Schlägt man den Ball mit hoher Geschwindigkeit, dann verformt er sich bei dem harten Aufprall. Die Energie des Schwungs geht im Treffmoment vom Schlägerkopf in den Ball über. Je mehr Energie übertragen wird, desto weiter fliegt der Ball. Wichtig hierbei ist: es gibt eine optimale Energieübertragung. Dieses Optimum ist ein Zusammenspiel aus Schlägerkopfgeschwindigkeit und Härte des Balls. Mit Härte ist in diesem Moment die Härte des Kerns, d. h seine Kompression gemeint, denn die Schale spielt in diesem Verhältnis eine untergeordnete Rolle. Trifft der Schlägerkopf mit hoher Geschwindigkeit auf einen weichen Ball, so verpufft zu viel Energie und der Schlag wird zu kurz. Trifft der Kopf mit niedriger Geschwindigkeit auf einen Ball mit hoher Kompression, so wird zu wenig Energie übertragen und auch dieser Schlag wird zu kurz. Für die maximale Länge sollten Sie also einen Ball spielen, dessen Kompression perfekt zu Ihrer Schlägerkopfgeschwindigkeit passt.
Die Schale hält in dieser Situation den Kern zusammen und bestimmt die Richtung, in die die Verformung des Balls passiert. Bei einer harten Schale findet die Verformung relativ kontrolliert in Schlagrichtung statt, so dass die ganze Energie in die Vorwärtsbewegung des Balles gehen kann. Bei einer weichen Schale ist die Verformung weniger kontrolliert, da die Schale weniger Widerstand leistet. So geht einerseits Energie verloren, andererseits wirkt die Energie in alle Richtungen und der Ball kann die Spinachse verlieren – er „eiert“.
Bei den langen Schlägen wirken sich die Balleigenschaften hauptsächlich auf die Länge aus. Die wichtigste Eigenschaft, auf die Sie achten sollten, ist die Kompression.
Kurzes Spiel mit den Wedges
Eine völlig andere Perspektive auf den Golfball erhält man, wenn man Schläge betrachtet, bei denen sich Schlagfläche und Ball länger berühren als beim Abschlag. Am extremsten ist dies bei den Wedges.
Schlägt man den Ball mit einem Wedge, zieht man die Schlagfläche am Ball entlang. Dies ist der längste Kontakt, den Schlagfläche und Ball im Golfspiel haben. Im Idealfall rollt der Ball leicht über die Schlagfläche, bevor er den Schlägerkopf verlässt. Hier wird schnell offensichtlich, dass nun hauptsächlich die Eigenschaften der Schale zum Tragen kommen.
Eine weiche Schale gibt beim Kontakt mit dem Schlägerkopf etwas mehr nach und verhakt sich dadurch besser mit den Grooves der Schlagfläche. Dadurch nimmt der Ball den mit dem Schläger erzeugten Spin besser an. So kommen die Eigenschaften des Wedge-Schlags am besten zur Geltung: die Flugbahn ist steiler, der Ball rollt nach dem Auftreffen nicht so weit und der Flug ist richtungsstabiler, weil der Spin die Flugachse stabilisiert. Das heißt, der Schlag ist insgesamt präziser in Richtung und Länge.
Ein kleiner Nachteil des weichen Balls im Wedgespiel ist, dass er schneller abnutzt. Jeder Wedge-Schlag ist im Grunde eine kleine Hobelarbeit an der Balloberfläche, bei der kleine Cuts entstehen. Durch diese nutzt sich die Schale stärker ab. Ausgesprochene Wedge-Spezialisten wie Phil Mickelson können einen weichen Ball nur wenige Löcher spielen.
Beim Wedgespiel gilt die einfache Regel: je weicher die Schale, desto besser. Außer vielleicht für den Geldbeutel.
Das Putten
Schauen wir uns einen Putt einmal genauer an. Es mag manche Leser verblüffen, aber auch beim Putten hat der Ball eine – zugegebenermaßen kurze – Flugphase. Nach der Berührung mit dem Putter springt der Ball zuächst vom Putterkopf weg, bevor er in die Rollphase übergeht. Und diese Flugphase ist es, auf die die Balleigenschaften einen besonderen Einfluss haben.
Die Flugphase ist grundsätzlich eher unerwünscht, weil der Ball bei jedem Hüpfer wertvolle Energie verliert und in seiner Spin-Achse und damit seiner Rollrichtung beeinflusst werden kann. Ganz vermeiden lässt sich die Flugphase nicht, bestenfalls kann man sie jedoch dämpfen und etwas kontrollieren. Hierbei kommt dem Ball eine besonders wichtige Rolle zu. Als aufmerksamer Leser haben Sie vermutlich bereits geschlussfolgert, dass es erneut die Eigenschaften der Schale sind, die hier zum Tragen kommen. Ein harter Ball hüpft stärker, höher und unkontrollierter. Ein weicher Ball hat eine kürzere Flugphase und geht schneller ins Rollen über.
Auch beim Putten gilt daher die einfache Empfehlung, dass der Ball eine möglichst weiche Schale haben sollte.
Zusammenfassung
Ginge es nach dem kurzen Spiel und dem Putten, würde ich Ihnen immer zu einem Ball mit einer weichen Schale raten. In beiden Fällen unterstützt der Ball Ihre Spielabsicht optimal. Nachteil dieser Bälle ist jedoch, dass sie teurer in der Herstellung und damit höher im Preis sind. Auch nutzen sich diese Bälle schneller ab, so dass Sie häufiger nachkaufen müssen.
Unglücklicherweise ist beim langen Spiel meistens ein Ball mit einer härteren Schale von Vorteil. Es gilt also, einen Kompromiss zu finden. Außerdem muss man hier das komplexe Wechselspiel zwischen Spielweise und Ballkompression berücksichtigen. Bei der Ballberatung in unserem Geschäft suchen wir daher das optimal ausgewogene Verhältnis zwischen harter und weicher Schale sowie die passende Kompression für den individuellen Spieler.
Natürlich gibt es keinen Wunderball, und auch der beste Ballberater kann nicht hexen. Wie bei allen Equipmentfragen ist und bleibt der Spieler der wichtigste Faktor im erfolgreichen Golfspiel. Dennoch glauben wir, dass ein qualitativ hochwertiger und gut abgestimmter Ball Ihnen hilft, Ihr Spiel zu verbessern und konsistent zu entwickeln.
Einige Worte zum Thema Lakeballs
Der eine oder andere Leser erwartet vielleicht, dass ich zu diesem Thema Stellung beziehe. Ohne mich groß in die teilweise hitzige Debatte einmischen zu wollen, möchte ich Ihnen den folgenden Blickwinkel mitgeben, der für mich persönlich der Wichtigste ist:
Kunststoff härtet unter UV-Licht aus. Wenn Sie schon einmal beim Zahnarzt eine Kunststofffüllung bekommen haben, wissen Sie, was ich meine. Eine große natürliche UV-Lichtquelle ist die Sonne. Das heißt, ein Ball, der lange in der Sonne liegt, wird mit der Zeit härter. Ein Lakeball ist also immer härter als sein fabrikneuer Zwilling. Dies ist beim kurzen Spiel von Nachteil, denn wir haben ja bereits gesehen, dass dort eine weiche Schale besonders von Vorteil ist. Neben der Härte im Ganzen bereitet mir jedoch die Inkonsistenz der Lakeballs Kopfschmerzen.
Jeder Lakeball ist individuell unterschiedlich, denn jeder lag eine unterschiedlich lange Zeit im Wasser. Aufgrund der modernen Behandlungsverfahren (Bleichen, Lackieren) erkennen Sie als Kunde nicht, wie lange ein Ball im Wasser lag und damit der Sonne ausgesetzt war. Das bedeutet, jeder Ball in einem Dutzend Lakeballs hat eine unterschiedliche Härte und wird sich damit im Spiel unterschiedlich verhalten. Das wiederum bedeutet für Sie, dass sich der gleiche Schlag (ich unterstelle hier eine gewisse Konsistenz) vom einen zum anderen Ball unterschiedlich auswirken wird. Und auch wenn Sie denken, Ihr Spiel sei nicht konsistent genug, um diesen Unterschied zu bemerken, so ist es doch verheerend für Ihr Spiel und Ihr Lernen, wenn Sie nicht sagen können, welche Abweichungen aus Ihrem Schlag resultieren und welche daraus, dass Sie mit zwei völlig unterschiedlichen Bällen gespielt haben.
Denn wie so häufig ist auch hier Konsistenz im Golfspiel die wichtigste Voraussetzung für Genuss.